Deutsch-Südwest
 

Walfischbai, der nach Lüderitzbucht nächste Anlegehafen, von welchem der Kreuzer Karlsruhe Südafrika schließlich verlässt, um seine nächste große Strecke von nahezu 1.500 Seemeilen nach Lobito anzutreten, hatte hingegen nie zur Kolonie Deutsch-Südwestafrika gehört. Weil der Naturhafen der Walfischbucht den Engländern unterstand, musste die deutsche Kolonialmacht sich eigene Verkehrswege erschließen. Ausschlaggebend für den Aufbau des Hafens von Swakopmund als Verkehrsknotenpunkt waren die Nachschubschwierigkeiten der Truppen, die den Hereroaufstand gegen die deutsche Kolonialmacht niederschlagen sollten – was ihnen im Jahr 1904 auf dem Waterberg schließlich gelang. Auch um die deutsche Wirtschaft durch effizientere Ressourcennutzung zu fördern, wurde von Swakopmund ein Bahnanschluss nach Windhuk – die Hauptstadt von Deutsch-Südwest – und in das erzreiche Otavibergland geschaffen. Das Volksbuch der deutschen Kolonien erklärt: „Eine Längsbahn durchzog das Hochland und stellte bei Keetmanshoop die Verbindung mit der Südbahn her. Sie brachte den Anschluss an Lüderitzbucht, den zweiten wichtigen Hafen im Süden, in dessen Nähe sich das Zentrum des seit 1908 aufblühenden Diamantenbergbaus befindet.“ (S. 117) Das Fotoalbum des Großvaters zeigt eine Ansicht der Stadt Swakopmund und das „Ehrendenkmal der gefallenen deutschen Helden“ – diese sind jene, welche beim Kampf gegen die Hereros ihre Leben ließen.

In Deutsch-Südwest muss der Kreuzer Karlsruhe einen längeren Aufenthalt gehabt haben – das schließe ich aus den zahlreichen Vergnügungen, die in dem Album dokumentiert sind: So sind blutverschmierte lachende Seeleute auf dem Schiff zu sehen; einige davon halten Hörner, an denen Tierköpfe hängen, in der Hand. Das Foto heißt: „Erbeutete Springböcke von einer Jagd aus Südwest“. Offenbar war die Mannschaft zur Jagd eingeladen worden. Die Tatsache, dass die Beute mit an Bord gebracht wurde, spricht dafür, dass sie dort verarbeitet und als Proviant mitgenommen wurde.

Zahlreiche deutsche Kinder in Tropenhüten durften den Kreuzer Karlsruhe im Hafen besichtigen.

Auf einer Seite in dem Album sieht man nur noch die Klebstoffspuren von zwei Fotos, welche herausgerissen worden sind. Das ist insofern besonders bedauerlich, als gerade diese ursprünglich vier Bilder, von denen jetzt noch zwei vorhanden sind, den Titel „Zur Erinnerung an die schönen Stunden auf einer Farm in Südwest“ tragen. Eines zeigt nichts als Landschaft, das andere aber ist vielversprechend: Ein Schwarzer trägt ein sowohl englisch- als auch deutschsprachiges Plakat, welches in das „Hotel Reinisch-Westfälischer Hof“ – wirklich mit diesem Schreibfehler – zum Tanz einlädt. Da heißt es auf Deutsch: „Heute Tanz in gemütlichem Saal; erstklassige Tanzmusik; D.F.K. Swakopmund“. Die beiden entfernten Fotos hätten vielleicht den Großvater beim Tanzvergnügen gezeigt?