Äquatortaufe Fortsetzung
 

Besonders anschaulich ist der Brauch der Äquatortaufe von Korvettenkapitän Giese in einem Buch aus dem Zweiten Weltkrieg – einer Zeit, zu welcher der Großvater als Ausbilder an der Marineschule in Kiel tätig war – geschildert: „Da stoppt wahrscheinlich eines schönen Tages mitten in See das Schiff, das Seefallreep wird heruntergelassen, und herauf klettert dann mit einem mehr oder weniger großen Gefolge der Admiral Triton, der hohe Gesandte Seiner Majestät Neptun, des Beherrschers aller Meere und Gewässer. Er wird natürlich mit allen seinem Rang zukommenden Ehren empfangen und sofort zum Kommandanten geführt, dem er die bevorstehende Ankunft seines hohen Herrn meldet. Am nächsten Tag erscheint dieser dann selbst mit seiner Gemahlin, einem großen Gefolge und mehr oder weniger wild aussehenden Trabanten. Auf einem improvisierten Thron sitzend hält der Meeresfürst eine zündende Ansprache an sein Volk und gibt anschließend das Zeichen zum Beginn des Taufaktes, dem sich alle Besatzungsmitglieder unterziehen müssen, die noch niemals von der nördlichen zur südlichen Erdhälfte übergegangen sind. Bei dieser Taufe geht es traditionsgemäß rau, aber herzlich zu. Jeder Täufling wird eingeseift, und zwar mit einem Riesenquast und ein paar Pfund weniger angenehm riechender Seife. Dann nimmt der Hofbarbier – wozu hätte Neptun einen solchen im Gefolge, wenn er nicht auch tatkräftig in Funktion treten müsste – ein nicht weniger großes Rasiermesser und schabt unbarmherzig die Stoppeln aus dem Gesicht. Wenn dabei auch mal ein Läppchen Haut mit abgeht, nun, das kann auch bei einem gewöhnlichen Friseur passieren. Nach dieser Prozedur verabreicht ein anderer Neptunbegleiter dem Delinquenten eine dicke Pille aus undefinierbaren Bestandteilen, deren besonderer Wert aber anscheinend ihr Brechreiz verursachender Geschmack ist, und ehe sich der Täufling es versieht, fliegt er auch schon, von kräftigen Trabantenfäusten gepackt, in eine große Waschbalje, in der ihn die gleichen liebevollen Hände mehrmals recht kräftig untertauchen und zwischendurch mehr oder weniger zart abseifen. 'runter muss der Schmutz der nördlichen Erdhälfte! Damit lässt Neptun niemand in seinen Bereich. Dann geht es zum Abschluss noch durch einen langen Windsack, dessen erhöhter Reiz darin liegt, dass hässliche Leute von vorn und von hinten kräftig mit Wasserschläuchen hineinspritzen,während andere zugleich auf dem Sack nach Herzenslust herumtrommeln. Etwas benebelt kommt der Täufling schließlich auch durch diese Prüfung und wird draußen dann mit einem kräftigen, diesmal echten Schnaps gestärkt. Er ist damit zum würdigen Bewohner der südlichen Erdhälfte gestempelt, was durch einen besonderen Taufschein bescheinigt wird.“

Die Texte zu den Bildern der zweiten Weltreise, bei welcher der Großvater als schwarz bemalter, mit einem Baströckchen, Ohrringen und anderem wildem Schmuck verzierter Trabant Tritons eine größere aktive Rolle spielte, sind noch deutlicher: In Unterhosen vor dem Großvater aufgestellten Täuflingen wird von diesem etwas wohl Unappetitliches, leider nicht Definierbares in den Mund gesteckt; die boshafte Erläuterung dazu ist: „Eine kleine Vorspeise“.

Die unverhohlene Häme wird in dieser Beschreibung deutlich genug und ist auf den Fotos nicht zu übersehen. Die Kommentare unter den Bildern, wie „Am Ende des Windsacks“, sprechen für sich: Um an das Ende des Windsacks zu kommen, muss man zuvor hineingesteckt und durchgejagt worden sein. Die Bilder belegen die deutliche Freude an der rohen Behandlung der Täuflinge. Man sieht ein Opfer, das die Behandlung überstanden hat, auf dem Boden liegen – rundherum befindet sich eine feixende Menge, die sich am Schaden anderer vergnügt.